Hallo meine Lieben,
jetzt sind es schon 3 Monate, die ich
nicht mehr in Deutschland bin, sondern hier in Cochabamba. Ich muss
sagen, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Die Woche fängt an und
plötzlich ist schon wieder Freitag. Jeden Tag mache ich eigentlich
das gleiche und trotzdem immer etwas anderes.
Noch habe ich nicht viel von
Bolivien gesehen, da ich erst während meines Urlaubs auf große
Reise gehe. Aber Cochabamba bzw. die Cancha konnte ich schon ein
bisschen kennenlernen. Es ist sehr lebhaft, laut und voll. Überall
gibt es Autos, Busse und Menschen, die sich durch schlängeln.
Aber es gibt auch unzählige
Straßenhändler, die ihre Stände unermüdlich jeden Tag aufbauen
und, wenn es dunkel wird, wieder abbauen, um vielleicht an einem Tag 10
Euro zu verdienen.
Ebenso sind viele Frauen mit Schubkarren
unterwegs, oftmals noch mit ihren Babys auf dem Rücken oder Kindern an der Hand, die Früchte und frischgepresste Säfte verkaufen, um sich über Wasser zu halten.
Wenn ich manchmal mit dem Truffi fahre,
stehen an den Kreuzungen Kinder, die Süßigkeiten verkaufen oder
ältere Menschen, die ihre Hand durchs Fahrerfenster halten und um
Geld betteln.
Was hier auch sehr typisch ist, ist dass in einer Straße ausschließlich das gleiche verkauft wird , zum Beispiel Möbel in einer Straße, Musikinstrumente in einer anderen und Betten und Särge in einer dritten.
In Deutschland gibt es auch Shoppingstraßen, aber sie verkaufen unterschiedliche Sachen von verschiedenen Marken. Wenn hier in einer Straße Handys verkauft werden, bieten alle die gleichen an und das gilt nicht nur für Handys, sondern wirklich für fast alle Waren. Was ich beim Handykauf gesehen habe und lustig fand, ist dass man sich das „Original Nokia“ für xx Bolivianos kaufen konnte, aber gleichzeitig noch die Kopie aus China für die Hälfte angeboten bekam.
Ich sehe viele Sachen, die ich in
Deutschland nie gesehen hätte. Auf diesen Straßen herrscht noch so
viel Armut und trotzdem sieht man lachende Gesichter, spielende
Kinder und starke Menschen, die alles geben, um sich und ihre Familie
zu ernähren.
Aber ich muss ehrlich sagen, dass ich selbst nicht in Armut lebe,
sondern nur „neben“ ihr. Ich sehe
diese Sachen und höre viele Geschichten von den Schwestern, doch
sobald ich von der Straße in das Haus komme, ist es für mich wie
ein Eintritt in eine andere Welt.
Alle Geräusche von der Straße
wie das Hupen der Autos oder das Schreien der Verkäufer, die auf
ihre Produkte aufmerksam machen wollen, verstummen mit dem Schließen
des Tores und es ist plötzlich still und ruhig. Im Gegensatz zu
dem, was ich auf der Straße sehe, lebe ich immer noch im
Luxus. Die einzigen Unterschiede zu Deutschland sind, dass man nicht
immer Wasser hat, weil der Wassermangel in der Stadt zu groß ist, um
jedes Haus mit Wasser zu versorgen, dass man das Leitungswasser nicht
trinken kann, weil es kontaminiert ist und dass Äpfel, Tomaten
und alle Früchte und Gemüsesorten geschält werden müssen. Nur diese kleinen
Sachen unterscheiden meinen Lebensstandard hier von dem in
Deutschland. Mir geht es somit genauso gut wie in Deutschland.
Nur sehe ich, wie schlecht es manch Andere geht, die doppelt soviel arbeiten als ich. Das bringt einen
zum Nachdenken, ob man es wirklich verdient, so gut zu leben und
warum andere, die hart dafür arbeiten, es nicht können. Umso mehr bin ich froh, dass ich den
Kindern im Kindergarten dabei helfen kann, eine Basis
aufzubauen, um eventuell der Armut zu entkommen. Die Eltern, die
ihre Kinder hier anmelden, hoffen auf eine gute „Grundausbildung“,
damit diese nicht wie sie auf der Straße bleiben.
Deswegen freut mich es so sehr, wenn
ich den Kindern beim Lernen und bei ihren Fortschritten zusehen kann.
Dabei denke ich mir manchmal, dass ich im Kindergarten mehr gespielt
habe anstatt „2352+8945+3975“ auszurechnen, bis 1000 zu zählen,
zu lesen oder zu schreiben. Die Kinder lernen hier, selbstständig zu
arbeiten und ihre Aufgaben zu machen, was ihnen im späteren Leben
sehr viel helfen wird. Auch wenn es manchmal anstrengend ist und
man viel Geduld aufbringen muss, weiß ich, dass es nur richtig
ist, wenn man nicht aufgibt.
Denn kleine Augenblicke des Erfolges
lassen mich die Momente der Verzweiflung vergessen.
Ich habe den Kindern aus meiner Gruppe
„Head, Shoulders, Knees And Toes“ beigebracht und ich bin jedes
Mal glücklich, wenn ich höre, wie sie es singen, während sie auf
ihre Eltern warten.
So, das waren meine Eindrücke, die ich
in den ersten 3 Monaten gesammelt habe. Ich hoffe, ich konnte sie
euch einigermaßen gut vermitteln und...
...bis zum nächsten Post, liebe Grüße
aus Bolivien,
eure My ♥
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