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Dienstag, 27. Oktober 2015

No. 11 - Wie die Zeit vergeht - 3 Monate

Hallo meine Lieben,

jetzt sind es schon 3 Monate, die ich nicht mehr in Deutschland bin, sondern hier in Cochabamba. Ich muss sagen, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Die Woche fängt an und plötzlich ist schon wieder Freitag. Jeden Tag mache ich eigentlich das gleiche und trotzdem immer etwas anderes.

Noch habe ich nicht viel von Bolivien gesehen, da ich erst während meines Urlaubs auf große Reise gehe. Aber Cochabamba bzw. die Cancha konnte ich schon ein bisschen kennenlernen. Es ist sehr lebhaft, laut und voll. Überall gibt es Autos, Busse und Menschen, die sich durch schlängeln.




Aber es gibt auch unzählige Straßenhändler, die ihre Stände unermüdlich jeden Tag aufbauen und, wenn es dunkel wird, wieder abbauen, um vielleicht an einem Tag 10 Euro zu verdienen.




Ebenso sind viele Frauen mit Schubkarren unterwegs, oftmals noch mit ihren Babys auf dem Rücken oder Kindern an der Hand, die Früchte und frischgepresste Säfte verkaufen, um sich über Wasser zu halten.



Wenn ich manchmal mit dem Truffi fahre, stehen an den Kreuzungen Kinder, die Süßigkeiten verkaufen oder ältere Menschen, die ihre Hand durchs Fahrerfenster halten und um Geld betteln. 

Was hier auch sehr typisch ist, ist dass in einer Straße ausschließlich das gleiche verkauft wird , zum Beispiel Möbel in einer Straße, Musikinstrumente in einer anderen und Betten und Särge in einer dritten.



In Deutschland gibt es auch Shoppingstraßen, aber sie verkaufen unterschiedliche Sachen von verschiedenen Marken. Wenn hier in einer Straße Handys verkauft werden, bieten alle die gleichen an und das gilt nicht nur für Handys, sondern wirklich für fast alle Waren. Was ich beim Handykauf gesehen habe und lustig fand, ist dass man sich das „Original Nokia“ für xx Bolivianos kaufen konnte, aber gleichzeitig noch die Kopie aus China für die Hälfte angeboten bekam.

Ich sehe viele Sachen, die ich in Deutschland nie gesehen hätte. Auf diesen Straßen herrscht noch so viel Armut und trotzdem sieht man lachende Gesichter, spielende Kinder und starke Menschen, die alles geben, um sich und ihre Familie zu ernähren. 

Aber ich muss ehrlich sagen, dass ich selbst nicht in Armut lebe, sondern nur „neben“ ihr. Ich sehe diese Sachen und höre viele Geschichten von den Schwestern, doch sobald ich von der Straße in das Haus komme, ist es für mich wie ein Eintritt in eine andere Welt.




Alle Geräusche von der Straße wie das Hupen der Autos oder das Schreien der Verkäufer, die auf ihre Produkte aufmerksam machen wollen, verstummen mit dem Schließen des Tores und es ist plötzlich still und ruhig. Im Gegensatz zu dem, was ich auf der Straße sehe, lebe ich immer noch im Luxus. Die einzigen Unterschiede zu Deutschland sind, dass man nicht immer Wasser hat, weil der Wassermangel in der Stadt zu groß ist, um jedes Haus mit Wasser zu versorgen, dass man das Leitungswasser nicht trinken kann, weil es kontaminiert ist und dass Äpfel, Tomaten und alle Früchte und Gemüsesorten geschält werden müssen. Nur diese kleinen Sachen unterscheiden meinen Lebensstandard hier von dem in Deutschland. Mir geht es somit genauso gut wie in Deutschland.
Nur sehe ich, wie schlecht es manch Andere geht, die doppelt soviel arbeiten als ich. Das bringt einen zum Nachdenken, ob man es wirklich verdient, so gut zu leben und warum andere, die hart dafür arbeiten, es nicht können. Umso mehr bin ich froh, dass ich den Kindern im Kindergarten dabei helfen kann, eine Basis aufzubauen, um eventuell der Armut zu entkommen. Die Eltern, die ihre Kinder hier anmelden, hoffen auf eine gute „Grundausbildung“, damit diese nicht wie sie auf der Straße bleiben.

Deswegen freut mich es so sehr, wenn ich den Kindern beim Lernen und bei ihren Fortschritten zusehen kann. Dabei denke ich mir manchmal, dass ich im Kindergarten mehr gespielt habe anstatt „2352+8945+3975“ auszurechnen, bis 1000 zu zählen, zu lesen oder zu schreiben. Die Kinder lernen hier, selbstständig zu arbeiten und ihre Aufgaben zu machen, was ihnen im späteren Leben sehr viel helfen wird. Auch wenn es manchmal anstrengend ist und man viel Geduld aufbringen muss, weiß ich, dass es nur richtig ist, wenn man nicht aufgibt.
Denn kleine Augenblicke des Erfolges lassen mich die Momente der Verzweiflung vergessen.
Ich habe den Kindern aus meiner Gruppe „Head, Shoulders, Knees And Toes“ beigebracht und ich bin jedes Mal glücklich, wenn ich höre, wie sie es singen, während sie auf ihre Eltern warten.



Ich finde es auch beeindruckend, wie Schwester Cornelia, die den Kindergarten seit 10 Jahren leitet, alles organisiert. Im Vergleich zu einem anderen Montessori-Kindergarten, bei dem die Eltern umgerechnet 140€ pro Monat bezahlen, verlangt sie nur monatlich 30€, um lediglich nur Essen und neues Montessori-Material zu kaufen. Aber selbst das können einige Eltern nicht bezahlen und liegen schon Monate zurück. Sie bleibt bei so einem niedrigen Preis, damit auch wirklich die Ärmsten ihre Kinder in den Kindergarten schicken können und ihre Kinder eine Chance haben, sich aus der Armut „herauszubilden“. Wenn ihr mal nicht wisst, was ihr mit 30€ anfangen sollt, hier zum Spendenkonto.



So, das waren meine Eindrücke, die ich in den ersten 3 Monaten gesammelt habe. Ich hoffe, ich konnte sie euch einigermaßen gut vermitteln und...

...bis zum nächsten Post, liebe Grüße aus Bolivien,

eure My 

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